Noch verbotener als das „Rote Ross“ waren die in den End-Sechzigern aufkommenden Sexfilme, oft als „wissenschaftlich fundierte Aufklärungsfilme“ deklariert, damit sie überhaupt gezeigt werden durften.
Diese sexuelle Revolution traf uns ja genau im richtigen Alter, und darum war z. B. der Oswalt Kolle-Film „Das Wunder der Liebe“ ein Muss für den unschuldigen, unaufgeklärten Lehrling. Zwar war der Film erst „ab 18“ freigegeben, aber der „Lehrlingsfunk“ hatte bald den passenden Geheimtipp.
Nicht weit vom Heim gab es nämlich ein verstecktes Kino, winzig klein, wie der Name „Kolibri“ schon verriet. Und es hatte sich in den interessierten Kreisen Nürnbergs herumgesprochen, dass die Kassiererin bei der Alterskontrolle sehr großzügig wäre. Das musste sie auch sein, denn es drängten sich ja fast ausschließlich Minderjährige um den Einlass und ohne die hätte die Aufklärung vor leeren Stühlen stattgefunden.
Also machte man sich an einem lauen Sommerabend auf, unterwegs noch ein schnelles Stärkungsbierchen im „Nunnenbeck“, und stellte sich beim Kolibri mutig in die lange Schlange der pickeligen und bartlosen Jünglinge. An der Kasse bestellte man weltmännisch und mit möglichst tiefer Stimme „einmal Loge“, beantwortete die Frage der gutmütigen älteren Dame, „bist du schon 18“, mit einem zittrigen „JA“, und wartete mit hochrotem Gesicht und stark erhöhtem Pulsschlag auf die ersehnte Eintrittskarte in die Welt der Erwachsenen.
Ganz bestimmt machte es der Kassen-Dame Spaß, ihre Bübchen ein bischen schmoren zu lassen. Eine Ewigkeit verging, man sah sich schon unverrichteter Dinge und unaufgeklärt wieder zurück ins Nunnenbeck ziehen, aber dann tönte es aus dem Kassen-Fensterchen nur:  „Loge ist ausverkauft“.
Erleichtertes Aufatmen, nicht nur weil die erste Hürde genommen war, sondern auch, weil man nun souverän „dann halt einmal erster Rang“ bestellen und dabei sogar auch noch ein paar Pfennige sparen konnte.
Nun schnell die Karte gegriffen und rein ins vollbesetzte Kino, bevor die Dame sich es anders überlegte. Jetzt musste man nur noch die ausgiebige nervige Werbung und die unerträglich lange „Fox – Tönende Wochenschau“ über sich ergehen lassen, und dann ging es endlich los mit der wissenschaftlichen Aufklärung (in schwarz-weiß übrigens).
Zum richtigen Genuss wurde das „Wunder der Liebe“ dann aber doch nicht. Denn beim geringsten Geräusch, bei jeder kleinsten Störung, und noch mehr, wenn zwischendurch einmal die Tür aufging, da duckte man sich in seinen Sessel und guckte nervös um sich. Erwartete ständig den Ruf „Polizei, Jugendkontrolle, bitte Ausweis vorzeigen“, und sah sich schon in Handschellen in die Lochgefängnisse abgeführt.

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