Nachdem wir bei der Rundum-Ausbildung in Sachen Werkstoffbearbeitung endlich Feile und Hammer unterscheiden konnten, sollte auch das Nieten erlernt werden.
Die Aufgabe: Zwei Stahlplatten mit unlösbaren und möglichst auch unsichtbaren Nieten für immer und ewig miteinander verbinden.
Das eigentlich unscheinbare Werkstück war ähnlich durchdacht wie das U-Eisen und diente dazu, eine ganze Menge unserer Fertigkeiten unter Beweis zu stellen. Die Stahlplatten waren vorzubereiten, die Bohrlöcher für die Nieten mussten genau nach Plan angerissen, gekörnt und nach dem Bohren für die Aufnahme der Nieten genau auf 75 Grad gesenkt werden. Und nach dem Hineinklopfen der Nieten ging es darum, das Ganze so glatt zu schlichten, dass von der Nietung möglichst wenig, für die Note „Eins“ möglichst überhaupt nichts zu sehen war.
Das funktionierte theoretisch nur bei einer ganz exakten geraden Bohrung, bei genau senkrecht (und nicht zu tief) eingeschlagenen Nieten und bei sauberer, sorgfältiger Nacharbeit.
Die Praxis sah bei den meisten aber anders aus – da guckten die Nieten frech heraus und es blieben unübersehbare Spuren und Krater, die nicht mehr zu heilen waren und das Herz des Meisters nicht gerade erfreuten.
Einem, der bei der Benotung seiner Fertigkeiten schon eine „Vier“ oder „Fünf“ auf sich zukommen sah, dem kam die einzig rettende Idee: Die Schlosserei seines Onkels. Dieser kriegte unter größter Geheimhaltung die Zeichnung des Werkstücks zusammen mit einer mitleiderregenden Geschichte vorgelegt und wusste auch gleich eine ideale Problemlösung. Zwei Stahlplatten wurden genau nach Zeichnung zurechtgemacht und nun nicht zusammengenietet - sondern zusammengeklebt. Wie verlangt, unlösbar für immer. Und hundertprozentig unsichtbar.
Am nächsten Tag legte der Lehrling an seinem Werkstück noch einmal mit richtigem Feuereifer los und präsentierte es schließlich dem Ausbilder zur Benotung – nicht ohne gewisse nervöse Spannung. Nach einigen Minuten wurde wiederum der Meister sichtlich angespannt und nervös. Klar, denn auch bei genauester feinmikroskopischer Untersuchung und bei misstrauischem Drehen und Wenden nach allen Seiten waren nicht einmal die allergeringsten Ansätze der „Nietung“ zu erkennen. Wie auch.
Lange musste der Lehrling auf des Meisters Urteil warten. Erst nach gefühlten Stunden voller Angst und schlechtem Gewissen sprang der Meister endlich auf und rief seine Buben zusammen: „Schaud amoll her – so soll’s sei wenns richdi gmachd is“ sprach er und zeigte die Supernietung in die Runde.
Nicht nur, dass unser Stift den Lehrherrn, den Meister und auch seine Lehrlings-Kollegen beschwindelt hatte: Als der Gelobte vor Scham errötend den Kopf senkte, wurde ihm dies auch noch als ein besonderer Ausdruck seiner Bescheidenheit angerechnet. Der Gedanke an einen Betrug, noch dazu an einen so hinterhältig genialen, der kam niemand. Ergebnis: Im Wochenbericht gab es eine „Eins“ für das Meisterstück (übrigens die erste und einzige), von den überraschten Eltern gab es nicht nur viel Lob, sondern auch eine ordentliche Prämie, und für unseren Lehrling war damit ein schönes Wochenende gesichert. Auch wenn er seinem Onkel einen Teil der Prämie ausbezahlen musste, in Form von ein paar „Seidla“ natürlich.
Allerdings hatte unser Lehrling noch lange ein schlechtes Gewissen und träumte oft von seiner gotteslästerlichen Freveltat. Es war ja noch Probezeit und was, wenn sie doch noch auffliegt? Immer wenn er deshalb schweißgebadet aufwachte, dachte er „..und die Moral von der Geschicht´, betrüge deinen Meister doch besser nicht“.


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